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  • Stephan Stiletto

Hilfe! Der Insolvenzverwalter will Geld von mir - BGH: Kurswechsel für Anfechtungen nach §133 InsO

Aktualisiert: 11. März 2023

Beim Thema Insolvenzanfechtung sind betroffene Unternehmen oft überrascht, wenn ein Insolvenzverwalter nach langer Zeit Zahlungen zurück verlangt, die sie oft rechtmäßig von einem inzwischen insolventen Vertragspartner bekommen hatten. Der Verwalter spricht von "vorsätzlicher Benachteiligung der Gläubiger", drückt sich formelhaft und für den Laien unverständlich aus und zitiert viele alte Urteile. Die Lage scheint aussichtslos. Aber der BGH hat im Jahre 2021 eine Trendwende eingeleitet, die Betroffenen Hoffnung macht.



Anfechtungsarten


Es gibt mehrere Arten von Insolvenzanfechtungen, mit denen ein Insolvenzverwalter versuchen kann, die Insolvenzmasse dadurch zu erhöhen, dass er Zahlungen zurück verlangt, die der Insolvenzschuldner (in der Regel) vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch geleistet hat.

In diesem Artikel soll es vor allem um die sogenannte vorsätzliche Benachteiligung anderer Gläubiger nach §133 InsO gehen. Die anderen Arten der Insolvenzanfechtung, insbesondere bei sogenannter "kongruenter Deckung" oder "inkongruenter Deckung" nach den §§ 130 bzw. 131 InsO sind zwar oft für die Betroffenen nicht weniger ärgerlich, unterscheiden sich aber von unserem Thema vor allem dadurch, dass nach §133 InsO die erhaltene Zahlung noch viel länger zurück liegen kann.

Anfechtung nach § 133 InsO

Der einleitende Satz der Norm lautet:


Die Zahlung, die der Insolvenzverwalter nun anfechten, also zurück erhalten will, kann bis zu 10 Jahre, bzw. unter bestimmten Voraussetzungen 4 Jahre, vor dem Insolvenzantrag erfolgt sein. Berücksichtigt man, dass der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mindestens 3 Jahre (§§ 195, 199 BGB) Zeit hat, bis er den Anspruch geltend macht, kann doch seit Erhalt der Zahlung eine erhebliche Zeit verstrichen sein.

Oft erinnern sich die Betroffenen kaum noch an den Vorgang oder haben schon kaum noch Unterlagen darüber.

Voraussetzungen der Anfechtung nach §133 InsO

Die wichtigsten Voraussetzungen der Anfechtung ergeben sich eigentlich unmittelbar aus dem Wortlaut des Gesetzes:

  • Innerhalb der Frist von 10 (4) Jahren vor dem Insolvenzantrag

  • muss der Insolvenzschuldner eine Handlung vorgenommen haben

  • die sich nachteilig auf die anderen Gläubiger ausgewirkt, vor allem z.B. die Insolvenzmasse reduziert hat.

  • Dabei muss er den Vorsatz zur Benachteiligung seiner Gläubiger gehabt haben

  • und der Empfänger muss diesen Vorsatz gekannt haben.

Die gute Nachricht für den Empfänger eines solchen Anfechtungsschreibens ist, dass in der Regel der Insolvenzverwalter alle dieser Voraussetzungen zur Überzeugung eines Gerichts darlegen und beweisen muss. Bei entsprechenden Fallgestaltungen kann Ihr Rechtsanwalt das Vorliegen sämtlicher notwendiger Voraussetzungen bestreiten und argumentieren, dass und warum diese notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Die schlechte Nachricht ist jedoch, dass der Insolvenzverwalter sehr häufig mit sogenannten Vermutungen argumentieren kann, die die Rechtsprechung in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat, gerade um den Insolvenzverwaltern die sonst oft schwierigen Beweise zu erleichtern.

Wahrscheinlich befinden sich bereits jetzt in dem Anfechtungsschreiben, das Sie erhalten haben, diverse Hinweise auf solche Vermutungen.

Der neue Kurs des BGH : weniger Vermutungen

In einer schon fast als historisch zu bezeichnenden Entscheidung hat der Bundesgerichtshof am 06.05.2021 eine Trendwende eingeläutet. Diese kommt Betroffenen von Insolvenzanfechtungen nach § 133 InsO zugute.

Er kündigt darin an, zukünftig verschiedene Fragen anders als bisher zu beurteilen und insbesondere einige der etablierten "Vermutungen" in dieser Form nicht mehr zu akzeptieren.

Stattdessen sollen die Gerichte die Besonderheiten des konkreten Falles stärker berücksichtigen müssen. Das betrifft zum Beispiel die Frage, wann ein Benachteiligungsvorsatz des Schuldners angenommen wird und wann die Kenntnis des Anfechtungsgegners von diesem Vorsatz angenommen wird (Ziffer 30 der Entscheidung). Auch soll eine erkannte drohende Zahlungsunfähigkeit zukünftig einer erkannten bestehenden Zahlungsunfähigkeit nicht mehr gleichgestellt sein. (Ziffer 39) Die Vermutung der Fortdauer einer einmal eingetretenen Zahlungsunfähigkeit soll zukünftig auch restriktiver eingesetzt werden (Ziffer 44)

Fazit

Noch stärker als bisher ist daher zu der damit erleichterten Abwehr von Anfechtungen des Insolvenzverwalters eine detailgenaue, penible Analyse und Darstellung des Sachverhalts erforderlich. Maßgeblich sind oft die Fragen "Wer wusste wann was?" und "Wann war was offensichtlich". Die Rechtsprechung wird die neuen Leitlinien von nun an in jedem Verfahren beachten und weiterentwickeln müssen.

Es bleibt zu hoffen, dass auch in anderen Bereichen des Insolvenzanfechtungsrechts die entscheidende Bedeutung der Besonderheiten eines Einzelfalls stärker berücksichtigt und tatrichterlich bewertet werden.

Sollten Sie Fragen zu diesem Thema haben, oder sich selbst gegen eine fragwürdige Insolvenzanfechtung zur Wehr setzen wollen, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.


Stephan Stiletto

- Rechtsanwalt -


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