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  • Stephan Stiletto

Arbeitnehmer kündigt und lässt sich krankschreiben. Muss er weiter bezahlt werden?

Aktualisiert: 11. März 2023

Wenn ein Arbeitnehmer kündigt und am Tag der Kündigung krankgeschrieben wird, dann kann das den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit genau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Die Vorinstanzen hatten der Klage auf Entgeltfortzahlung noch stattgegeben.



Sachverhalt

Arbeitnehmerin war bei dem Unternehmen seit Ende August 2018 beschäftigt.

Sie kündigte das Arbeitsverhältnis und legte dem Arbeitgeber eine auf den den Kündigungstag datierte, als Erstbescheinigung gekennzeichnete AU vor.

Das Unternehmen verweigerte die Entgeltfortzahlung. Es sah Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als erschüttert an, weil diese genau die verbliebene Laufzeit des Arbeitsverhältnisses nach der Eigenkündigung abdeckte.

Die Arbeitnehmerin berief sich darauf, sie sei ordnungsgemäß krankgeschrieben gewesen und habe damals vor einem Burn-Out gestanden.

Die Vorinstanzen haben der auf Entgeltfortzahlung für die Zeit der Kündigungsfrist gerichteten Zahlungsklage stattgegeben (u.a. LAG Niedersachsen, Urt. v. 13.10.2020 - 10 Sa 619/19).


So entschied das BAG

Die nachträglich zugelassene Revision des Arbeitgebers hatte vor dem BAG Erfolg.

Die Arbeitnehmerin hatte die von ihr behauptete Arbeitsunfähigkeit im Streitzeitraum zunächst mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen, also mit dem gesetzlich vorgesehenen Beweismittel.


Dessen Beweiswert kann der Arbeitgeber aber erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben.

Gelingt das wie hier dem Arbeitgeber, muss der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, dass er wirklich arbeitsunfähig war. Der Beweis kann insbesondere durch Vernehmung des behandelnden Arztes (nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht) erfolgen.

Nach diesen Grundsätzen hat der Arbeitgeber im vorliegenden Fall den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert. Der offensichtliche Zusammenhang zwischen der Kündigung und der für den exakt gleichen Zeitraum bescheinigten Arbeitsunfähigkeit begründet nach Ansicht des BAG einen ernsthaften Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit.


BAG, Urt. v. 08.09.2021 - 5 AZR 149/21 (Quelle: BAG, Pressemitteilung v. 08.09.2021)


Derartige Fälle begegnen dem Rechtsanwalt in der arbeitsrechtlichen Praxis von Zeit zu Zeit. Die Entscheidung des BAG ist zu begrüßen, denn sie hilft dem manchmal allzu offensichtlichen Missbrauch von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wenigstens in klaren Fällen besser zu begegnen.


Wenn Sie Fragen in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten haben, freuen wir uns diese zu beantworten.


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